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Arzneimittelversorgung während der Covid-19 / Corona-Pandemie

Ein Interview mit den Geschäftsführern der Hanse Service GmbH

Arzneimittelversorgung während der Corona-Pandemie:

Pharma-Logistik, Organisation und Lagerkapazität schaffen Sicherheit für die Pharmabranche und die Bevölkerung

Ein großer Teil der Waren wird heute in Fernost produziert, zum Beispiel Wirkstoffe für die Pharmaindustrie oder medizinische Schutzprodukte – die Globalisierung macht´s möglich. Die Lebensadern des freien grenzüberschreitenden Handels sind die großen See- & Luftfrachtlinien zwischen Europa und dem Rest der Welt. Allein 90 Prozent des Welthandels läuft über die Weltmeere. Doch auch die Globalisierung ist nicht gegen Krankheitserreger immun, wie die Covid-19-Pandemie zeigt. Die Herstellungs- und Lieferketten waren im Corona-Lock-down gestört, die Folgen für die medizinische Versorgung im ganzen Land spürbar: fehlende medizinische Schutzkleidung, knappe Ressourcen bei Blutdrucksenkern oder Antibiotika. Unternehmen wie der interanational tätigen Logistik-Spezialisten Hanse Service und Pharmalogisticspartner aus Hamburg halten den Kreislauf der Globalisierung stabil – auch in Krisenzeiten. Denn gutes Logistik-Management, straffe Organisation und hohe Lagerkapazitäten schaffen Versorgungssicherheit. Ein Gespräch mit den Geschäftsführern der Hanse-Service Intern. Fachspedition GmbH und der Pharmalogisticspartner Internationale Fachspedition GmbH: Jörg Brinkmann und Thorsten Eckel.

Herr Brinkmann, wie ist der Status quo im Bereich der Pharmalogistik?

JB: Der unerwartete Lieferengpass mit dem Beginn der Corona-Krise stellt jedes Supply-Chain-Management vor große Herausforderungen. Besonders anfällig waren in der Pharma-Logistik die Lieferketten, die Arzneimittelwirkstoffe überwiegend oder gar ausschließlich aus China bezogen, wo ganze Städte und Regionen abgeschottet waren. Trotzdem muss man feststellen, dass die pharmazeutischen Lieferketten deutlich besser als andere Industrien abgesichert sind. Grund sind die vergleichsweise hohen Bestände an Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln hierzulande.

Aktuell sehen wir noch Herausforderungen im Luft- und Seefrachtbereich. Aber die Lieferketten sind längst nicht mehr so gestört, wie zum Höhepunkt der Pandemie in China. Inzwischen gibt es wieder deutlich mehr Flugzeuge auf der Strecke zwischen Asien und Europa. Auch die Verfügbarkeit von Kühlcontainern im Seefrachtbereich für temperaturgeführte Arzneimitteltransporte hat sich wieder verbessert. Allerdings beobachten wir das Infektionsgeschehen weltweit sehr genau, um vorbereitet zu sein, falls die erwartete 2. Welle im Herbst auf uns zukommt.

Herr Eckel, Ihr Unternehmen ist unter anderem Spezialist im Bereich Pharma-Logistik. Welche Maßnahmen sind jetzt nötig, um einer Verknappung von Medizinprodukten wie im Frühjahr entgegenzuwirken?

TE: Das Supply-Chain-Risikomanagement ist hier gefordert. Darüber hinaus brauchen wir international größtmögliche Transparenz über die Störungen durch Corona. Ein weiterer Erfolgsfaktor für die Logistik ist die enge Zusammenarbeit zwischen Lieferanten, Logistikdienstleistern und Behörden. Außerdem ist Lagerkapazität aktuell der Schlüssel – besonders im Bereich Kühllager. Denn ich gehe davon aus, dass die Erfahrungen mit Corona dazu führen werden, dass in Europa künftig mehr Pharmaprodukte produziert, gelagert und über Kühltransporte verteilt werden, um die Unabhängigkeit von Übersee zu vergrößern.

JB: Mit dem Outsourcing von Lagerlogistik hat sich die Pharmabranche bisher immer schwergetan, weil sie dachte, dass sie das besser könnte als ein Logistiker. Hier hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden. Auch Behörden werden künftig gemäß neuem Arzneimittelgesetz die Lagerhaltung bestimmter Präparate anordnen können. Das stellt die europäische Logistikbranche vor neue Herausforderungen.

Warum ist die Lagerhaltung, auch im Bereich Kühllager, so komplex?

JB: Die Qualitätsmaßstäbe für Humanmedizin sind im Hinblick auf Transport, Lagerung und Auslieferung sehr hoch. Pharma-Logistik-Unternehmen müssen dafür hohe Anforderungen erfüllen. Zum Beispiel Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle der Fahrzeuge und der Lager sowie die IT-seitige Vernetzungen der Kühlketten mit Seriennummernverfolgung. Auch Fahrer und Lagermitarbeiter müssen für die besonderen Anforderungen im Umgang mit Arzneimitteln geschult und sensibilisiert werden. Im gesamten Supply-Chain müssen die Sorgfaltspflichten der Auftraggeber sowie der Auftragnehmer dokumentiert und überprüft werden.

TE: Das heißt, wir brauchen künftig wesentlich mehr qualifizierte Unternehmen im Bereich Pharma-Logistik, die nach den EU-Leitlinien für die Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (Good Distribution Practice, kurz GDP) zertifiziert sind. Aktuell gibt es hier Experten zufolge noch zu viele Schwachstellen bei Lagerung und Transport, zum Beispiel temperaturgeführte Arzneimitteltransporte in nicht geeignete Fahrzeuge mit mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen. Medikamente sind während des Transportwegs zuweilen nicht vor Hitze und Kälte geschützt. Hinzu kommen bauliche und technische Mängel bei Lagerhallen und Kühllagern.

Die neue Nachfrage nach GDP zertifizierter Lagerkapazität und GDP-Kühllagern im Bereich Pharma-Logistik wird neue Player auf die etablierten Märkte rufen. Brauchen Sie eine Zunahme des Wettbewerbs nicht zu fürchten?

TE: Pharma-Logistik ist ein komplexes Geschäft. Neue Player müssen hier professionell agieren, braucht Know-how und Innovationskraft, um sich keine blutige Nase zu holen. Wir haben in diesem Geschäft zwanzig Jahre Erfahrung und stabile Kundenbeziehungen, die auf Professionalität und Vertrauen fußen. Darüber hinaus sind wir von der Hamburger Gesundheitsbehörde qualifiziert, könnten mit Medikamenten handeln und sogar als Pharmagroßhändler agieren (GDP).

Unser Lager in Hamburg ist stark nachgefragt und ausgelastet. Auch wir wollen unsere Lagerkapazitäten und unsere Kühllager weiter ausbauen; auch wenn passende Grundstücke in Hamburg ein rares Gut sind. Aber wir wachsen aktuell im Pharmabereich zweistellig und wollen das Geschäft auch künftig weiter erfolgreich vorantreiben.

 

Corona hat der Logistik-Branche stark zugesetzt. Welche Auswirkungen hatte der Ausbruch des Corona-Virus auf Ihr Geschäft?

JB: Eine solche Krise hat niemand vorhergesehen und es gab keine Blaupause, welche Maßnahmen erfolgversprechend sind. Die unabgestimmte Politik der einzelnen Länder brachte die Transportabwicklung für kurze Zeit zum Stillstand. Kein Transport konnte in dieser Zeit ohne ein Vielfaches an Kraft und Aufwand realisiert werden. Dementsprechend gab es eine große Verunsicherung.

Ich habe noch nie in meinen 36 Jahren Speditionsleben so viele LKW-Ladungen zurück nach Deutschland holen oder über andere Routen umleiten müssen. Bei allem anfänglichen Chaos sind wir stolz, dass wir jeden Transport ordnungsgemäß unter Einhaltung der hohen Pharmastandards ans Ziel bringen konnten. Das gelang nur, weil wir als Team eng und vertrauensvoll arbeiteten und unsere Kunden und Unternehmer mitgemacht haben. Hier zahlte sich auch die langjährige vertrauensvolle Kooperation zwischen den Beteiligten aus.

 

Wäre es nicht wünschenswert, wenn künftig wieder mehr Medizinprodukte in Europa hergestellt würden, statt in Asien?

JB: Für die Patientenversorgung und Versorgungssicherheit wäre das sicher besser, auch wenn Langstrecken für uns natürlich lukrativer sind als Kurzstrecken. Ich bin allerdings skeptisch, inwieweit eine Rückverlagerung wirtschaftlich überhaupt tragbar ist. Die Regierungen stellen sich das so leicht vor, aber letztendlich funktionieren Markt- und Wettbewerbsfähigkeit über den Preis. Subventionen für die Pharmaindustrie werden nicht durchsetzbar sein. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie nachhaltig die Auswirkungen von Covid-19 sein werden. Wir Menschen neigen ja zur Vergesslichkeit: Ist der Sturm vorbeigezogen, scheint die Sonne wieder.

TE: Corona hat die Strukturen und Prozesse in der Pharma-Logistik durchgeschüttelt. Während die Auslandstransporte schwierig waren, hat der nationale Versand einen Aufschwung erfahren. Allein in der Versorgung von Kliniken, Großhändlern und Apotheken war ein Anstieg von 25 Prozent zu verbuchen. Politik und Pharmaindustrie haben ein Interesse dran, unabhängiger von Störungen in den globalen Lieferketten zu werden.

Wenn Europa künftig Quoten für die Bevorratung von Pharmaprodukten festlegt, entsteht ein hoher Bedarf an Transport- und Lagerkapazität, die GDP zertifiziert ist. Man denke nur daran, wenn es einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt. Der müsste in Kühllagern aufbewahrt und über temperaturgeführte Arzneimitteltransporte verteilt und ausgeliefert werden. Als GDP zertifizierter und auditierter Pharma-Logistiker können wir auf die hohe Qualität unserer Dienstleistungen und unseres Services entlang der Lieferketten pochen. Rund um die Uhr sieben Tage in der Woche.

Vielen Dank für das Gespräch.